Ökosystemarer Ansatz

In den letzten Jahren hat sich zunehmend die Erkenntnis durchgesetzt, dass biologische Vielfalt in ihren verschiedenen Ausprägungen nur dann erfolgreich erhalten werden kann, wenn man sie in ihrem ökosystemaren Kontext begreift und die vielen Wechselwirkungen mit den in und von den Ökosystemen lebenden Menschen beachtet. Auf der V. Vertragsstaatenkonferenz der CBD wurden daher die Staaten und andere Organisationen dazu aufgerufen, den sog. "Ökosystemaren Ansatz" (ecosystem approach) bei der Umsetzung der Konvention zugrunde zu legen. Dieser Ansatz soll eine Strategie des integrierten Managements von Land, Wasser und lebenden Ressourcen beschreiben, welche den Schutz und die nachhaltige Nutzung in ausgewogener Weise fördern und der Umsetzung des Zieldreiklangs der Konvention dienen soll. Der Ansatz erkennt zudem explizit an, dass Menschen mit ihrer kulturellen Vielfältigkeit ein integraler Bestandteil vieler Ökosysteme sind und Schutz und nachhaltige Nutzung nur mit den betroffenen Menschen umsetzbar sind. Damit wird der Realität Rechnung getragen, dass menschliches Handeln die biologische Vielfalt vieler Ökosysteme seit Jahrtausenden beeinflusst und geformt hat. Dies trifft im besonderen für die Kulturlandschaft Mitteleuropas zu. Als Prinzipien nachhaltiger Nutzung biologischer Vielfalt, die diese Verknüpfung wiedergeben, sind dabei jene als Malawi-Prinzipien bezeichneten zwölf Grundsätzen (aufgrund der ersten Formulierung auf der Vertragsstaatenkonferenz 1998 in Malawi) und die fünf anwendungsbezogenen Leitlinien laut Beschluss V/6 der CBD zu verstehen.

Beschreibung des Ökosystemansatzes nach Beschluss V/6 der Vertragsstaatenkonferenz der CBD (eigene Übersetzung).

  • 1. Der Ökosystemare Ansatz stellt eine Strategie für das integrierte Management von Land, Wasser und lebenden Ressourcen dar, der den Schutz und die nachhaltige Nutzung auf gerechte Art fördert. Damit trägt die Anwendung des Ökosystemansatzes dazu bei, ein Gleichgewicht zwischen den drei Zielsetzungen des Übereinkommens zu erreichen: Schutz, nachhaltige Nutzung sowie gerechte und ausgewogene Aufteilung der Gewinne, die aus der Nutzung der genetischen Ressourcen entstehen.
  • 2. Ein Ökosystemansatz basiert auf der Anwendung von angemessenen wissenschaftlichen Methoden, die sich auf Ebenen der biologischen Organisation konzentrieren, welche die grundlegende Struktur, Prozesse, Funktionen und Wechselwirkungen zwischen Organismen und ihrer Umwelt umfassen. Dieser Ansatz erkennt an, dass Menschen mit ihrer kulturellen Vielfältigkeit ein integraler Bestandteil vieler Ökosysteme sind.
  • 3. Diese Konzentration auf Strukturen, Prozesse, Funktionen und Wechselwirkungen befindet sich in Übereinstimmung mit der Definition von "Ökosystem" in Artikel 2 des Übereinkommens über die Biologische Vielfalt: "Im Sinne des Übereinkommens bedeutet "Ökosystem" einen dynamischen Komplex von Gemeinschaften aus Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen sowie deren nicht lebender Umwelt, die als funktionelle Einheit in Wechselwirkung stehen". Im Gegensatz zur Begriffsbestimmung von "Habitat" gemäß dem Übereinkommen bestimmt diese Definition keine räumliche Einheit oder Skala. Deshalb entspricht der Begriff "Ökosystem" nicht unbedingt den Begriffen "Biom" oder "ökologische Zone", sondern kann sich auf jedwede funktionelle Einheit auf einer beliebigen Skala beziehen. Der Analyse- und Handlungsmaßstab sollte in der Tat durch das jeweils zu behandelnde Problem bestimmt werden. Das könnte beispielsweise ein Krümel Boden, ein Teich, ein Wald, ein Biom oder die gesamte Biosphäre sein.
  • 4. Der Ökosystemare Ansatz erfordert ein adaptives Management, um mit dem komplexen und dynamischen Wesen der Ökosysteme und dem unvollständigen Wissen und den unvollkommenen Kenntnissen ihrer Funktionsweisen umzugehen. Ökosystemprozesse sind oftmals nicht linear und die Ergebnisse solcher Prozesse treten oft nur mit zeitlicher Verzögerung ein. Das führt zu Unregelmäßigkeiten, die in Überraschungen und Unsicherheit münden. Ein anpassungsfähiges Management ist gefordert, welches in der Lage ist, auf solche Unsicherheitsfaktoren eingehen zu können und welches Phasen beinhaltet, in denen man "aus Schaden klug wird" oder in denen man Rückmeldungen aus der Forschung abwarten muss. Es kann erforderlich werden, Maßnahmen selbst dann schon zu ergreifen, wenn die Beziehung zwischen Ursache und Wirkung wissenschaftlich noch nicht vollständig geklärt sind.
  • 5. Der Ökosystemansatz schließt andere Ansätze im Management und für den Schutz nicht aus, wie beispielsweise Biosphärenreservate, Schutzgebiete und Artenschutzprogramme für Einzelarten sowie auch andere Ansätze, die im Rahmen bestehender politischer und gesetzlicher Vorgaben durchgeführt werden. Er könnte sogar alle diese Ansätze und andere Methoden verbinden, um auf komplexe Situationen zu reagieren. Es gibt nicht nur den einen richtigen Weg zur Umsetzung des Ökosystemansatzes, da diese von lokalen, ortsübergreifenden, nationalen, regionalen oder auch globalen Bedingungen abhängt. In der Tat kann der Ökosystemare Ansatz auf vielfältige Weise genutzt werden, um einen Rahmen für die Umsetzung der in dem Übereinkommen festgeschriebenen Ziele in die Praxis zu schaffen.

Die 12 Prinzipien des Ökosystemaren Ansatzes

Prinzip 1: Die Zielsetzung der Bewirtschaftung von Land, Wasser und lebenden Ressourcen obliegen der gesellschaftlichen Wahl.

Prinzip 2: Das Management sollte soweit wie möglich dezentralisiert gestaltet werden.

Prinzip 3: Die Manager von Ökosystemen sollten berücksichtigen, welche Auswirkungen (tatsächlicher und potenzieller Art) ihre Aktivitäten auf benachbarte und andere Ökosysteme haben.

Prinzip 4: In Anerkennung des möglichen Zugewinns durch die Bewirtschaftung besteht normalerweise die Notwendigkeit, Ökosysteme in einem wirtschaftlichen Zusammenhang zu begreifen und zu verwalten. Derartige Programme zur Bewirtschaftung von Ökosystemen sollten:

  • a) diejenigen Marktverzerrungen mindern, welche die biologische Vielfalt negativ beeinflussen;
  • b) Anreize schaffen, um den Schutz der biologischen Vielfalt und den nachhaltigen Nutzen zu fördern;
  • c) Kosten und Nutzen in den Ökosystemen im jeweils möglichen Maße internalisieren.

Prinzip 5: Der Schutz der Strukturen und Funktionsweisen von Ökosystemen zur Erhaltung der Ökosystemleistungen sollte eines der Hauptziele des Ökosystemaren Ansatzes sein.

Prinzip 6: Ökosysteme müssen innerhalb der Grenzen ihrer Funktionsweisen bewirtschaftet werden.

Prinzip 7: Der Ökosystemare Ansatz sollte angemessene räumliche und zeitliche Bemessungen berücksichtigen.

Prinzip 8: In Anerkennung variierender zeitlicher Dimensionen und Verzögerungseffekte, welche Merkmale von Ökosystemprozessen sind, sollten die Zielsetzungen für das Ökosystemmanagement langfristig ausgerichtet sein.

Prinzip 9: Das Management muss anerkennen, dass Veränderungen unvermeidbar sind.

Prinzip 10: Der Ökosystemare Ansatz sollte das angemessene Gleichgewicht zwischen dem Schutz und der Nutzung der biologischen Vielfalt sowie die Integration der beiden anstreben.

Prinzip 11: Der Ökosystemare Ansatz sollte einschlägige Informationen jeglicher Art einschließlich der wissenschaftlichen, traditionellen und einheimischen Kenntnisse, der Innovationen und der Praxis in Betracht ziehen.

Prinzip 12: Der Ökosystemare Ansatz sollte alle einschlägigen Bereiche der Gesellschaft und der wissenschaftlichen Disziplinen miteinbeziehen.